Pressemitteilung vom 15.05.13
„Wir-sind-Mehr“, Ralph Boes ist nicht allein
Ralph Boes hat bis zum 13.05.13 insgesamt 43 Tage gehungert, um zu zeigen, welche Konsequenzen das Sanktionssystem von Hartz-IV haben kann.
Um das Hungern symbolisch weiter zu führen und den Widerstand aufrecht zu erhalten, hat ein weiterer Aktivist den Staffelstab des Hungers nun an Stelle von Ralph Boes übernommen.
Martin (Pseudonym) möchte anonym bleiben. (Foto und Name sollen in Presseerklärungen nicht genannt werden.) Dennoch hat er sich seit Montagmittag bereits zwei Mal den Fragen der Presse gestellt.
Was bewegt ihn, den Protest von Ralph Boes zu unterstützen?
Wie stellt er sich die nächsten Wochen vor?
Als Ökonom und langjähriger Angestellter in der Automobilindustrie kennt der 56-jährige sich bestens mit den Verhältnissen in Großunternehmen aus. Als promovierter Soziologe sieht er sich in der Verantwortung, ethische Fragen in der Gesellschaft aufzuwerfen. Nicht als politischer Kämpfer, sondern als Teil einer sozialen Plastik im Sinne von Beuys lehnt er persönliche Konkurrenz am Arbeitsmarkt ab. „Ökonomische Studien zeigen bereits seit einigen Jahren, dass mehr als eine 20 Stundenwoche für die gesamte westliche Wirtschaftswelt nicht darstellbar ist, wenn alle arbeitsfähigen Menschen beteiligt werden sollen.“ Momentan ist die Arbeitszeit aber extrem ungleich verteilt.
Martin lebt nicht von Hartz-IV. Diesem Antragsstress und dem „Ton auf dem Amt“ fühlte er sich nicht gewachsen. Deshalb lebt er mit Unterstützung von Freunden und Verwandten. Eine bescheidene Lebensform, eine „lebendige soziale Plastik“ erscheint ihm wertvoller als ein Kampf um Einkommen. Deshalb möchte er sich mit Ralph Boes verbrüdern und die Aktion stützen. Ein Teil seines Geldes, das er beim Hungern einspart übergibt er Ralph, damit dieser erst mal wieder Essen kann.
Ein Limit hat der schlanke Mann sich gesetzt: Nach 6 Kilo Gewichtsverlust möchte er den Staffelstab spätestens weiter reichen. In dieser Zeit möchte er sich etwas zurückziehen.
Die Aktion „Wir-sind-Boes“ hat eine völlig neue Stufe der Solidarität erreicht. Das Hartz-IV- Unrechtsregime betrifft Tausende. Folglich haben schon über 1600 Leute die „Wir-sind-Boes“ Kampagne unterzeichnet, etliche Initiativen und Betroffene haben sich solidarisch erklärt, in Hamburg hat sich eine eigene „Wir-sind-Boes“ Gruppe gebildet, die durch Inge Hannemann wertvolle Unterstützung erfährt. Täglich melden sich Betroffene bei uns, weil sie verzweifelt Hilfe suchen. Der Film „Ziviler Ungehorsam“ wurde über 100.000 mal angeklickt und auch in kommunalen Kinos in verschiedenen Städten aufgeführt. Zur Übergabe des Staffelhungerns waren neben der Presse auch der Bundestagsabgeordnete Arfst Wagner (Bündnis90/die Grünen), Mitglied des Grundeinkommens-Netzwerkrats Stefan Ziller, der Filmemacher Ralph T.Niemeyer und eine Aktivistin der unabhängigen Montagsdemo anwesend.
Eins ist klar: Der Brandbrief von Ralph Boes hat Solidarität entzündet. Der Hunger als Symbol gegen das Unrecht, welches 12 Millionen Menschen in Deutschland bedroht und an zig Tausenden Menschen vollzogen wird, und als Weg des Widerstandes, sich dem Unrechtssystem entgegenzustellen, wird nun weiter getragen.
Es wird möglich sein, diese Flamme an vielen Stellen Deutschlands zu entzünden.
Unser Widerstand wird erst enden, wenn das Unrechtssystem gebrochen ist.
Diana Aman