Offener Brief an Frau Ministerin Dr. Ursula von der Leyen
Thomas Barth, Pfarrlandstraße 8, 30451 Hannover
Frau Bundesministerin
Dr. Ursula von der Leyen
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Mohrenstraße 62
10117 Berlin
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
vorab per FAX: 03018 527-1830
vorab per E-Mail:
info@bmas.bund.de An alle Mitglieder des Dt. Bundestages
per FAX: 030 227-36979
per E-Mail:
mail@bundestag.de Hannover, den 26.11.2011
Offener Brief
Sehr geehrte Frau Ministerin Dr. Ursula von der Leyen,
Sehr geehrte Mitglieder des Deutschen Bundestages,
ich wende mich mit der Bitte an Sie, die folgenden Gesetze des SGB II einer eingehenden rechtlichen Überprüfung in Verbindung mit dem Grundgesetz zu unterziehen, im Einzelnen sind davon betroffen die Paragraphen 2, 7 Abs. 4a, 10, 16d, 31, 31a und 31b des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II).
§ 2 SGB II - Grundsatz des Forderns
(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person muss aktiv an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere eine Eingliederungsvereinbarung abschließen. Wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nicht möglich ist, hat die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person eine ihr angebotene zumutbare Arbeitsgelegenheit zu übernehmen.
(2) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen haben in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte müssen ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen einsetzen.
Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 GG
Eine Eingliederungsvereinbarung stellt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar. Muss eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person einen solchen Vertrag abschließen, ist das ein Eingriff in die grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit und die freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG. In Fällen, in denen keine Eingliederungsvereinbarung zustande kommt (zum Beispiel bei Weigerung der leistungsberechtigten Person), wird diese Eingliederungsvereinbarung in aller Regel durch einen Verwaltungsakt ersetzt (siehe § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB II), was ebenfalls einen Eingriff in die Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG darstellt.
Hat die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person eine ihr (durch das Jobcenter) angebotene zumutbare Arbeitsgelegenheit (siehe auch § 16d SGB II) zu übernehmen, schränkt diese Pflicht zur Übernahme dieser Arbeitsgelegenheit das Grundrecht nach Art. 12 Abs. 1 und 2 GG ein, auch könnte es zu einem Eingriff nach Art. 12 Abs. 3 kommen, da diese Pflicht zur Annahme einer Arbeitsgelegenheit unter Androhung eines empfindlichen Übels in Form einer Minderung des ALG II nach § 31 SGB II in Verbindung mit den §§ 31a und 31b SGB II durch die Rechtsfolgenbelehrungen oder deren Kenntnis davon durch die Jobcenter erzwungen werden soll.
§ 2 SGB II schränkt somit die Grundrechte nach Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 GG ein. Da das verfassungsrechtlich verankerte Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 nicht beachtet wurde und ferner in keinem Falle ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden darf, bitte ich Sie in Ihrer Funktion als Bundesministerin für Arbeit und Soziales den § 2 SGB II für nichtig, da die zwingenden Formvorschriften nicht eingehalten wurden, und damit für ungültig zu erklären.
§ 7 Abs. 4a SGB II - Leistungsberechtigte
(4a) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten keine Leistungen, wenn sie sich ohne Zustimmung des zuständigen Trägers nach diesem Buch außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhalten und deshalb nicht für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung stehen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn für den Aufenthalt außerhalb des zeit-und ortsnahen Bereichs ein wichtiger Grund vorliegt und die Eingliederung in Arbeit nicht beeinträchtigt wird. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor bei
1.Teilnahme an einer ärztlich verordneten Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation,
2.Teilnahme an einer Veranstaltung, die staatspolitischen, kirchlichen oder gewerkschaftlichen Zwecken dient oder sonst im öffentlichen Interesse liegt, oder
3. Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit.
Die Zustimmung kann auch erteilt werden, wenn für den Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs kein wichtiger Grund vorliegt und die Eingliederung in Arbeit nicht beeinträchtigt wird. Die Dauer der Abwesenheiten nach Satz 4 soll in der Regel insgesamt drei Wochen im Kalenderjahr nicht überschreiten.
Verstoß gegen Art. 11 Abs. 1 GG
Eine Anwesenheitspflicht einer erwerbsfähigen leistungsberechtigte Person im zeit- und ortsnahen Bereich ist nicht mit dem Grundrecht auf Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet nach Art. 11 Abs. 1
vereinbar.
§ 7 Abs. 4a SGB II schränkt somit das Grundrecht nach Art. 11 Abs. 1 GG ein. Da das verfassungsrechtlich verankerte Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 nicht beachtet wurde und ferner in keinem Falle ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden darf, bitte ich Sie in Ihrer Funktion als Bundesministerin für Arbeit und Soziales den § 7 Abs. 4a SGB II für nichtig, da die zwingenden Formvorschriften nicht eingehalten wurden, und damit für ungültig zu erklären.
§ 10 Abs. 1 SGB II - Zumutbarkeit
(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass
Verstoß gegen Art. 12 GG
Die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person hat demnach praktisch fast jede (durch das Jobcenter) vorgeschlagene Arbeit anzunehmen. Daraus ergibt sich ein Verstoß gegen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen nach Art. 12 Abs. 1.
§ 10 Abs. 1 SGB II schränkt somit das Grundrecht nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Da das verfassungsrechtlich verankerte Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 nicht beachtet wurde und ferner in keinem Falle ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden darf, bitte ich Sie in Ihrer Funktion als Bundesministerin für Arbeit und Soziales den § 10 Abs. 1 SGB II für nichtig, da die zwingenden Formvorschriften nicht eingehalten wurden, und damit für ungültig zu erklären.
§ 16d Abs. 1 SGB II - Arbeitsgelegenheiten
(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte können zur Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer Beschäftigungsfähigkeit, die für eine Eingliederung in Arbeit erforderlich ist, in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden, wenn die darin verrichteten Arbeiten zusätzlich sind, im öffentlichen Interesse liegen und wettbewerbsneutral sind. § 18d Satz 2 findet Anwendung
.
Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 GG
Eine Zuweisung, sofern sie nicht freiwillig durch den Leistungsberechtigten in Absprache mit dem Jobcenter erfolgt(e), stellt durch eine vorhandene Rechtsfolgenbelehrung i.V.m. § 31 ff. SGB II (siehe auch Begründung § 2 SGB II – Grundsatz des Forderns) oder deren Kenntnis davon einen Zwang dar und verstößt damit gegen Art. 12 GG, weiterhin wird das Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG eingeschränkt.
§ 16d SGB II schränkt somit das Grundrecht nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 GG ein. Da das verfassungsrechtlich verankerte Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 nicht beachtet wurde und ferner in keinem Falle ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden darf, bitte ich Sie in Ihrer Funktion als Bundesministerin für Arbeit und Soziales den § 16d SGB II für nichtig, da die zwingenden Formvorschriften nicht eingehalten wurden, und damit für ungültig zu erklären.
§ 31 SGB II - Pflichtverletzungen
(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis
1. sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Absatz 1 Satz 6 festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen,
2. sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach § 16d oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3. eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.
(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn
1. sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Arbeitslosengeldes II herbeizuführen,
2. sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3. ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4. sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.
Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 11 Abs. 1 GG, Art. 12 GG
Siehe Begründungen zu § 2 SGB II, § 7 Abs. 4a SGB II (u.a. Ortsanwesenheitsklausel in der Eingliederungsvereinbarung) und § 16d Abs. 1 SGB II.
§ 31 SGB II schränkt somit das Grundrecht nach Art. 2 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1 GG und Art. 12 GG ein. Da das verfassungsrechtlich verankerte Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 nicht beachtet wurde und ferner in keinem Falle ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden darf, bitte ich Sie in Ihrer Funktion als Bundesministerin für Arbeit und Soziales den § 31 SGB II für nichtig, da die zwingenden Formvorschriften nicht eingehalten wurden, und damit für ungültig zu erklären.
§ 31a SGB II - Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen
(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe um 30 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs. Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Arbeitslosengeld II um 60 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs. Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 entfällt das Arbeitslosengeld II vollständig. Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Erklären sich erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachträglich bereit, ihren Pflichten nachzukommen, kann der zuständige Träger die Minderung der Leistungen nach Satz 3 ab diesem Zeitpunkt auf 60 Prozent des für sie nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzen.
(2) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist das Arbeitslosengeld II bei einer Pflichtverletzung nach § 31 auf die für die Bedarfe nach § 22 zu erbringenden Leistungen beschränkt. Bei wiederholter Pflichtverletzung nach § 31 entfällt das Arbeitslosengeld II vollständig. Absatz 1 Satz 4 und 5 gilt entsprechend. Erklären sich erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nachträglich bereit, ihren Pflichten nachzukommen, kann der Träger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ab diesem Zeitpunkt wieder die für die Bedarfe nach § 22 zu erbringenden Leistungen gewähren.
(3) Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs kann der Träger auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen. Der Träger hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn Leistungsberechtigte mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt leben. Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mindestens 60 Prozent des für den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs soll das Arbeitslosengeld II, soweit es für den Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 Absatz 1 erbracht wird, an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden.
(4) Für nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte gilt Absatz 1 und 3 bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechend.
Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 2 GG, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG
Jegliche Art der Minderung des Arbeitslosengeldes II unter das menschenwürdige Existenzminimum verstößt gegen Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG.
Stellvertretend dazu zitiere ich den zweiten Leitsatz des Bundesverfassungsgerichts-Urteils - 1 BvL 10/10 - 1 BvL 2/11 - vom 18.07.2012:
Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantiert ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. BVerfGE 125, 175). Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch als Menschenrecht. Er umfasst sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Das Grundrecht steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu.
Das menschenwürdige Existenzminimum muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein. Dies verlangt bereits unmittelbar der Schutzgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG. Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG verlangt, dass das menschenwürdige Existenzminimum in jedem Fall und zu jeder Zeit sichergestellt sein muss. Die Möglichkeit der Jobcenter zur Minderung bis hin zur kompletten Einstellung des ALG II, ohne Verpflichtung eines Ausgleichs, denn hierbei handelt es sich nur um eine “Kann-Leistung“, die, wenn überhaupt, nur auf Antrag erbracht wird und selbst dann nicht das menschenwürdige Existenzminimum sichert wie es das Grundgesetz vorschreibt, kann zur Auslöschung der physischen Existenz Schutzbefohlener des Staates führen und hat es ja auch schon getan und führt somit zu einen Verstoß nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 2 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 (“Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“)
§ 31a SGB II schränkt somit das Grundrecht nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 2 GG, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein. Da das verfassungsrechtlich verankerte Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 nicht beachtet wurde und ferner in keinem Falle ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden darf, bitte ich Sie in Ihrer Funktion als Bundesministerin für Arbeit und Soziales den § 31a SGB II für nichtig, da die zwingenden Formvorschriften nicht eingehalten wurden, und damit für ungültig zu erklären.
§ 31b SGB II Beginn und Dauer der Minderung
(1) Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. In den Fällen des § 31 Absatz 2 Nummer 3 tritt die Minderung mit Beginn der Sperrzeit oder mit dem Erlöschen des Anspruchs nach dem Dritten Buch ein. Der Minderungszeitraum beträgt drei Monate. Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kann der Träger die Minderung des Auszahlungsanspruchs in Höhe der Bedarfe nach den §§ 20 und 21 unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf sechs Wochen verkürzen. Die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig.
(2) Während der Minderung des Auszahlungsanspruchs besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften Buches.
Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 2 GG, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG
Siehe Begründungen zu § 31a SGB II.
§ 31b SGB II schränkt somit das Grundrecht nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 2 GG, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein. Da das verfassungsrechtlich verankerte Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 nicht beachtet wurde und ferner in keinem Falle ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden darf, bitte ich Sie in Ihrer Funktion als Bundesministerin für Arbeit und Soziales den § 31b SGB II für nichtig, da die zwingenden Formvorschriften nicht eingehalten wurden, und damit für ungültig zu erklären.
Eine Anmerkung sei mir noch gestattet. Selbst Strafgefangenen kann und wird das Recht auf Nahrung, Unterkunft und medizinische Versorgung nicht entzogen (werden), daran muss sich die SGB II Gesetzgebung ebenfalls messen lassen. Erwerbsfähige leistungsberechtigte Personen können und werden mit Sanktionen (30%, 60%, vollständiges Entfallen des Arbeitslosengeldes II, dabei werden auch keine Unterkunftskosten und Krankenversicherung mehr durch den Leistungsträger übernommen) bis hin zum Existenzverlust gestraft, wenn sie den Forderungen des SGB II nicht nachkommen. Darüber müssen/sollten Sie sich, genauso wie jede/r Bundestagsabgeordnete, im Klaren sein. Im Jahre 2011 verhängten die Jobcenter mehr als 10.400 Totalsanktionen und das obwohl laut des BverfG-Urteils vom 09.02.2010 die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein muss. Können die Abgeordneten des Deutschen Bundestages das mit ihrem Gewissen vereinbaren?
Bei allen zitierten Paragraphen des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) handelt es sich sowohl um Einschränkungen, der mir als Grundrechtsträger zustehenden Grundrechte, als auch um Einschränkungen, der mir nach Art. 1 Abs. 2 GG verbrieften Menschenrechte. Nach Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte (Art. 1 bis 19) die Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht, die oben angeführten Gesetze des SGB II sind also nachrangig gegenüber dem Grundgesetz anzuwenden, wenn sie nicht ohnehin nichtig sind.
Zur Erinnerung: Die Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat.
Ich bitte Sie nochmals die genannten Paragraphen rechtlich zu prüfen/prüfen zu lassen und mich über die Ergebnisse dieser Überprüfung umgehend zu informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Barth
Anschreiben an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Berlin, 18.11.2012
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Frau von der Leyen – PERSÖNLICH!
Wilhelmstraße 49
10117 Berlin
Werte Frau von der Leyen,
verzeihen Sie, dass ich Ihnen erst heute schreibe. Ich hätte mich gern schon viel früher bei Ihnen gemeldet, aber mir fehlten die Worte. Warum ich Ihnen schreibe? Ich möchte Sie fragen, ob Sie zufrieden sind mit den Ergebnissen Ihrer Arbeit:
Am 30. November 2009, vor Ihrem Amtsantritt als Arbeitsministerin, verkündeten Sie in einem Interview mit der BILD: „Es gibt schon genügend Sanktionsmöglichkeiten. Das Problem ist eher,
dass diese unterschiedlich konsequent angewendet werden. In einigen Kommunen funktioniert das gut, in anderen nicht. Hier werden wir bei der Reform der Jobcenter darauf hinwirken, dass die Sanktionen, die wir haben, auch überall genutzt werden.“
Seither steigen die Zahlen der Sanktionen im ALG-II-Bezug rapide und unaufhaltsam, in einigen Bundesländern wie z.B. Berlin sogar um über 85% ggü. 2009.*1 Gleichzeitig sinkt die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten aber nicht in nennenswertem Umfang. Bleiben wir bei Berlin als Beispiel: Hier sank die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten lediglich um 2,9% ggü. 2009. Hinzu kommt, dass es keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen Sanktionspraxis und Senkung der Arbeitslosenzahlen gibt. Vielmehr ist ein Sinken der Arbeitslosenzahlen ausschließlich einem kleinen wirtschaftlichen Aufschwung zu verdanken, in dessen Zuge neue Arbeitsplätze geschaffen bzw. einst gestrichene Arbeitsplätze wieder besetzt wurden.
Darüber hinaus wurde bereits 2010 festgestellt, dass seit Inkrafttreten der Hartz-IV-Gesetze die eigentlich anvisierte Verkürzung der Verweildauer in der Arbeitslosigkeit nicht eingetreten ist: „Vor der Einführung von Hartz IV waren rund 50 Prozent aller arbeitslosen Sozial- und Arbeitslosenhilfebezieher nicht länger als ein Jahr auf Unterstützung angewiesen. Nach vier Jahren waren lediglich 13 Prozent der »Ausgangspopulation« noch arbeitslos. […]Im Untersuchungszeitraum [2005-2007] fanden – ebenso wie vor der Reform – etwa 50 Prozent der Betroffen innerhalb von zwölf Monaten wieder einen Job. Rund 16 Prozent der Hilfebezieher waren auch nach vier Jahren noch arbeitslos. Somit hat sich das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit sogar leicht verschärft.“*4
Zwang, Drohgebärden und Sanktionen haben also nicht dazu geführt, dass die Menschen schneller wieder eine Erwerbsarbeit aufnehmen, sondern das Gegenteil erzeugt. Was ja auch verständlich ist: Nicht nur, dass der Mensch den Schlag des Verlustes seines Arbeitsplatzes wegstecken muss, nein, er erfährt nun obendrein auch noch die entmutigende, demütigende, entmündigende und menschenverachtende Behandlung durch die Jobcenter einschließlich immanenter permanenter Bedrohung mit Verlust der Existenzgrundlage durch Sanktionen und die umfassende Einschränkung seiner Grundrechte, verbraucht seine Kräfte und Motivation darin, seine Rechte in Anspruch zu nehmen und durchzusetzen, sich gegen falsche Bescheide, sinnlose Beschäftigungsmaßnahmen, Zwang zum Eintritt in prekäre Arbeitsverhältnisse oder Aufnahme von Beschäftigungen, die nicht seiner Persönlichkeit, seinen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Schwächen entsprechen, grundgesetzwidrige Drohungen und Demütigungen durch Jobcenter-Mitarbeiter zu wehren und geht in diesem Drangsalierungssystem gnadenlos unter, wird depressiv, krank, arbeitsunfähig. Mit jeder negativen Erfahrung sinkt die Frustrationstoleranz, bis es schließlich zu Aggressionen ggü. den Erfüllungsgehilfen des Hartz-IV-System, den Jobcenter-Mitarbeitern, kommt.
Nun hat eine kleine Anfrage der LINKEN eine hochinteressante Zahl ergeben*2 : Im Jahresdurchschnitt werden mehr als 10400 ALG-II-Empfänger auf Null sanktioniert, was eine Verdopplung (!) innerhalb eines Jahres bedeutet. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie sich bewusst sind, was dies für die Betroffenen bedeutet: Kein Geld, um Essen und Trinken zu kaufen, kein Geld, um Miete, Betriebskosten, Strom, Telefon oder irgendeine andere Rechnung zu bezahlen, keine Krankenversicherung. Außerdem: Kein Anspruch auf Sozialhilfe. Im Jahresdurchschnitt fallen also mehr als 10400 Menschen in Deutschland vollständig aus allen Hilfe- und Auffangsystemen heraus, sollen aber gleichzeitig alle mit der Eingliederungsvereinbarung aufgezwungenen Auflagen weiterhin erfüllen, um überhaupt wieder Anspruch auf Grundsicherung zu erlangen. Wie viele Zehntausende darüber hinaus durch Sanktionen zwischen 10% und 90% in ihrer Existenz massiv bedroht werden, wissen wir nicht (also, ich weiß es nicht, sie vielleicht schon).
Die Botschaft, die diese Menschen übermittelt bekommen, lautet: Du bist nichts wert. Finden Sie das gut?
Können Sie vor sich, Gott, den Menschen und Ihren Kindern vertreten, dafür verantwortlich zu zeichnen, das Zehntausende Menschen in Deutschland in akuter, staatlich verordneter Existenzangst leben, förmlich per Gesetz in den Tod getrieben werden? Denn das bedeuten die Sanktionen, die sie höchstpersönlich als Ministerin für Arbeit und Soziales befürworten und befördern: Sie befürworten und befördern, dass Mitarbeiter der Jobcenter regelmäßig die Grundgesetze missachtende und brechende Gesetze anwenden und Menschen unter das grundgesetzlich garantierte und vom Bundesverfassungsgericht im Februar 2010 in seinen Leitsätzen zur Urteilsfindung bestätigte „unverfügbare menschenwürdige Existenzminimum“ *3 sanktionieren.
Gestatten Sie mir eine persönliche Frage, so von Mutter zu Mutter: Wie erziehen Sie Ihre Kinder? Mit Essensentzug bei Ungehorsam?
Um das ganze ruinöse Ausmaß der von Ihnen präferierten und beförderten Sanktionspraxis der Jobcenter zu erfassen, betrachten Sie doch auch einmal die Folgen der Sanktionen für all jene, die mit dem Sanktionsgrund nichts zu tun haben und auch nicht mildernd darauf einwirken können, aber trotzdem von ihm getroffen werden:
Vermieter erhalten vom Sanktionierten keine Miet- und Betriebskostenzahlungen für mind. 3 Monate. Selbst, wenn der Betroffene sich fügt und nach dem Sanktionszeitraum wieder in den vollen Leistungsbezug tritt, kann er den Mietrückstand nicht oder nur in minimalen Raten begleichen, die er sich vom Munde absparen muss. Erst wenn Wohnungslosigkeit akut droht und er wieder im Leistungsbezug ist, kann er Hilfe vom Jobcenter in Form eines Darlehens erwarten. Auch nach Titulierung der Mietforderung vor einem Gericht bleibt für den Vermieter eine Beitreibung der Forderung aussichtslos, da er nicht in das unpfändbare Einkommen vollstrecken kann.
Energieversorger erhalten vom Sanktionierten 3 Monate lang keine Abschlagszahlungen. Auch hier kann der ALG-II-Empfänger ein Darlehen erst beantragen, wenn er a) wieder im Leistungsbezug ist und b) Abschaltung des Stroms droht. Der Energieversorger hingegen kann wiederum trotz titulierter Forderung ebendiese nicht beitreiben, weil er nicht in unpfändbares Einkommen vollstrecken kann.
Die Krankenversicherung erhält ebenso keine Beiträge für den Sanktionszeitraum, wird diese aber nachfordern, sobald der ALG-II-Empfänger wieder in den Leistungsbezug eintritt. Hier kann der ALG-II-Empfänger allerdings kein Darlehen beim Jobcenter beantragen, denn die Krankenversicherung muss ihn weiterhin pflichtversichern, es tritt also keine zwingende Notlage ein. Sie kann aber ebenso nicht in unpfändbares Einkommen vollstrecken.
Das gleiche gilt für alle übrigen Gläubiger des sanktionierten ALG-II-Empfängers. 3 Monate Sanktion auf Null bedeuten nicht nur für den totalsanktionierten Leistungsempfänger eine unerträgliche soziale Härte und lebensgefährliche Bedrohung seiner Existenz, sondern schädigen darüber hinaus auch noch seine Gläubiger und erzeugen einen Schuldenberg von mehreren tausend Euro, der auf Jahre hinaus nicht abzutragen und schon gar nicht durch Vollstreckungsmaßnahmen einzutreiben ist. Dies gilt übrigens auch für Sanktionen, die 100% nicht erreichen, zumindest für alle auflaufenden Kosten, die aus dem Regelsatz zum Lebensunterhalt zu begleichen sind. Sicherlich wird ein sanktionierter ALG-II-Empfänger zuerst von dem wenigen verbliebenen Geld seinen Magen füllen, erst dann an die Begleichung von Rechnungen denken, so sie ihm dann überhaupt noch möglich ist.
Darüber hinaus wissen wir ja nun seit Jahren, dass seit Einführung der sogenannten Hartz-IV-Gesetze der Niedriglohnsektor förmlich explodiert ist und auch die Leiharbeit ungeahnte Ausmaße angenommen hat. Beide Effekte vernichten existenzsichernde Arbeitsplätze bzw. verhindern ihre Schaffung. Da ordern große Konzerne, die jedes Jahr Milliardengewinne schreiben, Leiharbeiter, welche die anfallende Arbeit für weniger Geld erledigen, als die festangestellten Mitarbeiter, mitunter noch mit ALG II aufstocken müssen. Viele ALG-II-Empfänger sind gar nicht erwerbslos, sondern sogenannte Aufstocker, die teilweise mit einer Vollzeitstelle weniger verdienen, als ihnen als existenzsicherndes Minimum in Form des ALG-II-Regelsatzes zustehen würde.
Alles, was unsere Väter und Großväter mühsam erstritten und erarbeitet haben, wird hier kontinuierlich wieder abgeschafft: Menschen nehmen - unter dem Eindruck der Androhung von existenzgefährdenden Sanktionen - Erwerbsarbeit an, mit der sie nicht einmal das vom Bundesverfassungsgericht als „unverfügbar“ bezeichnete Existenzminimum an Lohn und Gehalt bekommen. Lehnen sie solche Arbeitsangebote ab, wird ihnen die Existenzgrundlage entzogen. Menschen sind bereit, unter unerträglichen, krank machenden und gegen geltende Gesetze verstoßende Arbeitsbedingungen zu arbeiten und schweigen darüber, weil sie um ihren Job bangen und vor allem sich vor den Jobcentern und den mit dem ALG-II-Leistungsbezug einhergehenden Repressalien wie Entmündigung, Demütigung und Sanktion fürchten. Gewinner sind ausschließlich die Arbeitgeber, die die Lohnkosten auf den Rücken und zu Lasten der Arbeitnehmer senken, sie mittels Aufstockung von ALG II subventionieren lassen und sich anschließend über noch höhere Gewinnspannen freuen, während in Deutschland erschütternde Armutsberichte veröffentlicht und über drohende zukünftige Altersarmut händeringend schwadroniert wird – übrigens ebenfalls ein von der Hartz-IV-Gesetzgebung mitgeschaffenes und begünstigtes Phänomen, an dem Sie nun mit Ihrer Mindestrente herumdoktern, statt die Ursachen zu beseitigen, denn: wer heute wenig verdient, kann einerseits mit seiner Erwerbsarbeit wenig zum Generationenausgleich in der Rentenkasse beitragen und erwirkt andererseits selbst kaum Rentenansprüche für seine zukünftige Rente.
Frau von der Leyen, Sie tragen Mitverantwortung dafür, dass in Deutschland millionenfach im Auftrag des Staates und der Regierung – in Ihrem Auftrag! - gegen das Grundgesetz verstoßen wird und erwerbslose Menschen wie „unwertes Leben“ behandelt werden, ihnen die Existenzberechtigung abgesprochen, Frustration, Verzweiflung, Angst und hilflose Wut erzeugt wird. Jeder Mensch, der im Hartz-IV-System zu Tode kommt oder Schaden an Leib und Seele nimmt, geht auch auf Ihre Kappe. Einige Beispiele sind ja in den Medien schon bedauert worden: Der schwer depressive junge Mann, der 2007 in Speyer verhungerte und seine Mutter, die gerade noch so vor dem Hungertod bewahrt werden konnte*5, der ältere Herr in Hildesheim, der 2008 aus Angst vor Hartz IV seine Frau umbrachte und den eigenen Selbstmord solang hinausschob, bis seine Tat entdeckt wurde*6, die Frau, die im Juni 2012 in Halle an einem Magendurchbruch verstarb, weil sie aufgegeben hatte, Hilfe beim Jobcenter zu beantragen und es niemanden kümmerte*7, die Jobcenter-Mitarbeiterin, die im September 2012 in Neuss Opfer eines tätlichen Angriffs eines verzweifelten ALG-II-Empfängers wurde*8, die 39-jährige Frau, die im Mai 2011 im Jobcenter in Frankfurt von einer Polizistin niedergeschossen wurde und an dieser Verletzung verstarb und der Polizist, der von ebendieser Frau mit Messerstichen schwer verwundet wurde*9. Über all die Menschen, die still und heimlich sterben, den Freitod einem Leben mit Arbeitslosigkeit und Demütigungen und Sanktionen durch die eigentlich zur Hilfe berufenen Jobcenter vorziehen, berichten die Medien nicht*10. Aus Pietätsgründen. Oder so. Aber die Suizidforscher sagen: Bei Arbeitslosigkeit besteht ein 20-fach erhöhtes Suizidrisiko*11. Dafür sprechen auch die Zahlen der Verschreibung von Antidepressiva an Arbeitslose, die um 77% höher liegen, als bei Erwerbstätigen*12. Ebenso finden die Opfer des Systems auf der anderen Seite des Schreibtisches kaum mediale Aufmerksamkeit: Die Jobcenter-Mitarbeiter, die tagtäglich den Aggressionen der frustrierten Hilfeempfänger ausgesetzt und gleichzeitig gezwungen sind, ebendiese mit ihren Entscheidungen und Maßnahmen zu befördern, wollen sie nicht beizeiten ebenfalls auf ALG II angewiesen und dem zerstörerischen Hartz-IV-System ausgesetzt sein.
Frau von der Leyen, fangen Sie endlich an, Ihren Job richtig und gut und im Sinne der Menschen zu machen, FÜR die sie arbeiten!
Hören Sie auf, Maßnahmen zu befürworten und gar zu fördern und zu fordern, die gegen das Grundgesetz verstoßen und Menschen die Existenzgrundlage entziehen, sie in die Verzweiflung, in Hunger und Obdachlosigkeit, gar in den Suizid treiben. Schaffen Sie die Sanktionen ab.
Reformieren Sie die Jobcenter zu Einrichtungen, die den sowieso schon aufgrund der Erwerbslosigkeit entmutigten Menschen Mut machen, sie kompetent und professionell beraten und ihnen wirklich helfen, ggfs. nicht nur im Hinblick auf das Finden einer Erwerbsarbeit oder beruflichen Neuorientierung, sondern auch im Hinblick auf Wiedererlangung eines gesunden Selbstwertgefühls, seelischer und körperlicher Gesundheit und gesellschaftlicher Teilhabe.
Sorgen Sie dafür, dass z.B. ehrenamtliche Arbeit als Arbeit anerkannt wird, auch, wenn daraus kein Einkommen generiert werden kann. Schaffen Sie die Arbeitsmaßnahmen ab, entziehen Sie den privaten Maßnahme-Trägern die fragwürdige Existenzgrundlage, ermöglichen Sie stattdessen gemeinnützigen Vereinen und non-profit-Organisationen, Schulen, Kindergärten, Alten-, Pflege- und Hospizheimen, soziokulturellen Einrichtungen, Bürgerinitiativen usw. notwendige Ehrenämter zu besetzen, und den erwerbslosen, aber arbeitswilligen Menschen auf freiwilliger Basis - aber ggfs. unter Anleitung und Empfehlung ihrer Vertrauensperson beim Jobcenter - eine für sie sinnvoll und zumutbar erscheinende Tätigkeit zu finden und dieser unbehelligt nachzugehen, so wieder soziale Kontakte und gesellschaftliche Teilhabe sowie das lebenswichtige Gefühl, gebraucht zu werden, und vielleicht sogar in Folge eine Erwerbsarbeit erlangen zu können.
Sorgen Sie dafür, dass Sinn und Zumutbarkeit einer Arbeit von jenen bestimmt werden, die diese Arbeit ausführen sollen und am besten wissen, ob sie Sinn darin sehen und es für sich auf der Basis ihrer persönlichen Fähigkeiten und Schwächen für zumutbar halten, nicht von Jobcenter-Mitarbeitern. Sorgen Sie dafür, dass in den Jobcentern den Hilfesuchenden echte Alternativen aufgezeigt werden, dass nach den Bedürfnissen und persönlichen Lebenssituationen der Hilfeempfänger gefragt, das ihnen zugehört wird, sie auch verstanden werden und die Angebote und Hilfen sich danach richten, was im Einzelfall tatsächlich sinnvoll und nützlich ist und Aussicht auf Erfolg hat, weil der Hilfeempfänger den Nutzen für seine Person erkennt, die Hilfe akzeptiert und annimmt.
Sorgen Sie dafür, dass die Jobcenter mit gutem Beispiel voran gehen und ihre Mitarbeiter in ordentlichen, unbefristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigen, statt in befristeten; sorgen Sie für Kontinuität, Kompetenz und Professionalität in der Beratung und Hilfe. Sorgen Sie für die Möglichkeit, Vertrauen zu einer Bezugsperson im Jobcenter aufzubauen, die dem Hilfeempfänger langfristig erhalten bleibt, auch für die Möglichkeit, einen Fallmanager unkompliziert ablehnen zu können, wenn ein Leistungsbezieher mit diesem nicht zurechtkommt (und umgekehrt!).
Anerkennen Sie endlich, dass es nicht genug Erwerbsarbeit für alle gibt, dass auch Lohndumping und Leiharbeit nicht mehr Arbeitsplätze schaffen, sondern lediglich die Profitgier der Arbeitgeber alimentieren und die Ausbeutung jener befördern, die tatsächlich die Werte überhaupt erst schaffen, nämlich die Arbeitnehmer. Sorgen Sie dafür, dass die Jobcenter weder Lohndumping noch Leiharbeit durch Zwangsvermittlung der Leistungsbezieher in solche Beschäftigungsverhältnisse auch noch befördern.
Sorgen Sie dafür, dass die Jobcenter ihre Mitarbeiter nicht mehr darauf drillen, möglichst viel einzusparen, indem man Hilfesuchende drangsaliert und sanktioniert, bis sie auf den Antrag auf Unterstützung zum Lebensunterhalt verzichten, sondern das die effektive und vor allem sinnvolle Nutzung der zur Verfügung stehenden Mittel angestrebt wird, dass Steuergelder nicht zur Finanzierung fragwürdiger privater Träger in sinnlosen Maßnahmen ohne Ergebnis oder zur Subvention prekärer Arbeitsverhältnisse verschwendet werden, sondern sinnvoll zur Förderung der Arbeitswilligen eingesetzt werden.
Frau von der Leyen, erkennen Sie, dass man keinem Menschen mit Zwang und Sanktionen helfen kann, das menschliche Zuwendung, Respekt und Achtung vor dem Gegenüber, Anerkennung persönlicher Situationen und Schaffung von Vertrauen tausendmal mehr bewegen und helfen, selbst, wenn es aufgrund der Situation auf dem Arbeitsmarkt oder der individuellen Situation des Hilfeempfängers nicht zu Erwerbsarbeit führt. Erkennen Sie, dass der Staat – und damit auch Sie als Ministerin – eine im Grundgesetz verankerte Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bürgern und insbesondere gegenüber jenen Menschen hat, die aus eigener Kraft nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten können, und dass er seit Inkrafttreten der Hartz-IV-Gesetze dieser Fürsorgepflicht nicht mehr gerecht wird, mittels Sanktionen im ALG-II-Leistungsbezug sogar das Gegenteil tut, indem er dem hilfebedürften Teil der Bevölkerung die Existenzgrundlage entzieht.
Im Übrigen sind meine in diesem Brief gestellten Fragen keinesfalls rhetorisch, sondern ernstgemeint. Ich freue mich auf Ihre Antworten. Und falls Sie Hilfe benötigen, zum Beispiel Ideen und Konzepte für mögliche sozialverträgliche und grundgesetzkonforme Reformen der Sozialgesetze und der Arbeit in den Jobcentern, kommen Sie gern auf mich zurück.
Mit hoffentlich aufrüttelnden Grüßen
PS: Damit Sie die für Reformen sicherlich notwendige Unterstützung von Ihren Kollegen erhalten und diese ebenfalls für das Thema sensibilisiert sind, geht eine Kopie dieses Briefes an sämtliche Abgeordnete, Minister, Parteifunktionäre aller Coleur und sonstige Regierungsteilnehmer, derer ich habhaft werden kann.
Fußnoten/Quellverweise:
*1 - http://biaj.de/images/stories/2012-11-12_eine-million-sanktionen-hartz-iv-bmas-von-der-leyen.pdf
*2 - http://www.neues-deutschland.de/artikel/804503.arbeitslose-auf-nulldiaet.html
*3 - http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/ls20100209_1bvl000109.html
*4 - http://www.neues-deutschland.de/artikel/197222.hartz-iv-hat-nichts-positives-gebracht.html
- http://www.boeckler.de/28607_35074.htm
*5 - http://www.perspektive-mittelstand.de/Armut-in-Deutschland-20jaehriger-Mann-verhungert-in-Speyer-am-Rhein/pressemitteilung/3433.html
*6 - http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/mord-aus-verzweiflung-mann-toetet-seine-frau-und-verschiebt-selbstmord/1385128.html
*7 - http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta%2Fpage&atype=ksArtikel&aid=1342037200030&fb_source=message
- http://www.mdr.de/nachrichten/toteinhalle100_zc-e9a9d57e_zs-6c4417e7.html
*8 http://www.spiegel.de/panorama/justiz/jobcenter-neuss-familienvater-ersticht-seine-sachbearbeiterin-a-858111.html
*9 http://www.sueddeutsche.de/panorama/frankfurt-am-main-jobcenter-kundin-greift-polizisten-an-und-wird-erschossen-1.1099359
*10 - http://www.scharf-links.de/41.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=13439&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=f093dea419
- http://www.ausgehartzt.de/2008/08/hartz-iv-ttet.html
- http://www.grundrechtsschutzinitiative.de/47,0,neu-erfolgreicher-eilantrag-gegen-die-sanktionierung-eines-schulkindes,index,0.php
*11 - http://www.soziales-zentrum-hoexter.de/mahnwache-f%C3%BCr-alle-hartz-iv-opfer/
- http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15646&css=print
- http://www.gbe-bund.de/gbe10/abrechnung.prc_abr_test_logon?p_uid=gasts&p_aid=&p_knoten=FID&p_sprache=D&p_suchstring=14911::Suizid
*12 - http://www.spaces-brandenburg.de/downloads/psychische-Folgen-Arbeitslosigkeit.pdf
Anschreiben an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Antwortschreiben)
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
11017 Berlin 4.11.12
Ihr Schreiben vom 31.Oktober 2012
Sehr geehrte … ,
ich danke Ihnen sehr für Ihre Antwort. Dennoch möchte ich eindeutig meinen Widerspruch zu der Antwort bekunden.
1. Das sogenannte Sozialleistungssystem bietet keinesfalls Hilfe zur Selbsthilfe. Immer wieder wird von kompetenten Stellen darauf hingewiesen, dass ein System, welches mit Druck und Strafe arbeitet, Motivation und Eigeninitiative vielmehr untergräbt und verhindert, statt zu fördern.
Darüber hinaus sind durch das Sanktionssystem und die Verhängung der Sanktionen die betroffenen Bürger nur noch damit beschäftigt, die Rechtsgrundlagen um das undurchschaubare System zu verstehen, dagegen anzukämpfen, um noch irgendeine Lebensgrundlage zu haben und sich durch Behördenwust zu lavieren, statt sich auf eine Arbeitssuche konzentrieren zu können.
Das Fordern wird wesentlich stärker in den Focus der Jobcenter genommen als das Fördern, da jedem Bedürftigen unterstellt wird, dass es seine persönliche Schuld ist, keine Arbeit zu finden, sinnvolle Förderungen und Hilfen aber aufgrund der Knappheit kaum angeboten werden können.
2. Eine „berechtigte Erwartung“ , dass die Hilfebedürftigen jede Möglichkeit zur Beendigung der Hilfebedürftigkeit nutzen, kann es seitens der Gesellschaft gar nicht geben, solange der Arbeitsmarkt die Stellen überhaupt nicht mehr bietet, die nötig wären, um alle in einkommensgenerierende Arbeit zu vermitteln. Die Gesellschaft wird nur gar nicht darüber aufgeklärt, dass ihrer „Erwartung“ keine Möglichkeit mehr gegenübersteht, diese auch zu erfüllen. Stattdessen wird von der Politik weiterhin das Ideal der Vollbeschäftigung gepriesen und der Eindruck vermittelt, dies sei realisierbar. Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre ein möglicher Weg, das Dilemma zu beenden, indem Einkommen von Arbeit entkoppelt wird.
3. Selbst wenn eine Erwartung der Gesellschaft an die Hilfebedürftigen berechtigt wäre, ist dies noch längst kein Grund, menschenverachtende und grundsatzwidrige Praktiken anzuwenden! Die Arbeitslosen werden durch die Sanktionen und selbst schon durch die Androhung der Sanktionen zum Teil härter bestraft als Straftäter. Und das allein dafür, dass sie nicht den staatlichen Anforderungen Folge leisten. Wir sind damit auf dem besten Wege in eine Gesinnungsjustiz!
Das Nichterscheinen zu einem Termin oder das Ausschlagen einer Arbeitsstelle sind keinesfalls Taten, die es nötig machen, geschweige denn erfordern, Menschen in Hunger und Obdachlosigkeit zu treiben. Diese Praxis rechtfertigt auch keine noch so berechtigte Erwartung anderer Gesellschaftsmitglieder.
4. Wie inzwischen die Bundesagentur für Arbeit in ihrer nett gemeinten Kampagne „Ich bin gut“ selbst zugibt, sind die meisten Hilfebedürftigen keineswegs faul oder zu anspruchsvoll, was die Aufnahme einer Arbeit angeht. Erziehungsversuche, Zwangsmaßnahmen, Drohkulissen und Geldstrafen sind demnach völlig unangebracht!
Das einzige, was die Politik einmal bedenken sollte ist, dass Menschen gerne fair behandelt werden. In sinnlose Beschäftigungen oder in Jobs gesteckt zu werden, bei denen nur Niedrigstlöhne zu erwarten sind, kann nur Empörung und Verweigerung auslösen. Was zumutbar genannt wird, weicht weit von dem ab, was Menschen als zumutbar empfinden. Der Versuch, Menschen in solch unwürdige Situationen zu zwingen, ist in jeder Weise ein Verbrechen. Hier adelt also keinesfalls das Ziel die Mittel!
5. Der Gesetzgeber mag laut SGBII den Grundsicherungsstellen keinerlei Ermessen bei der Ausführung der Rechtsfolgen (Sanktionen) eingeräumt haben. Es bleibt aber Fakt, dass jedem Beamten die Pflicht zur Remonstration zusteht, sobald das Grundgesetz angetastet oder gebrochen wird. Allein diese Tatsache zeigt, dass das Grundgesetz über dem SBGII steht und unbedingt beachtet werden muss.
6. Ralph Boes, über den Sie mir aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskünfte erteilen konnten, hungert inzwischen seit 4 Tagen, da der Staat ihm die nötige Unterstützung verweigert. Ralph Boes ist somit ein weiteres Opfer des menschenverachtenden Erziehungssystems Hartz-IV, welches im Irrsinn des Proklamierens der Vollbeschäftigung die Gesellschaft mit volksverhetzenden Kampagnen gegen Hartz-IV Bezieher spaltet und aufhetzt um sich damit selbst die gesellschaftliche Akzeptanz zu verschaffen, die es nachher als Begründung für die Sanktionspraxis ausweist!
Ich verweise auf www.grundrechte-brandbrief.de und fordere vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales den sofortigen Stopp der Sanktionspraxis, der durch nichts und niemanden legitimierbar ist!
Mit freundlichen Grüßen,
Antwort des Bundesminsteriums vom 13.Dezember 2012 Seite 1, Seite 2